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Sportliches Scheitern I

Autorenbild: PetraPetra

Aktualisiert: 6. Jan.

Ich habe von Kindesbeinen an in jeder Sportart versagt. Vielleicht tröstet es jemanden.


Spitzenschuhe. Foto: ChristArt – fotolia.de


Ich hatte in meinem Trainingstagebuch vom Dezember 2015 geschrieben, dass ich irgendwann mal auflisten wollte, was ich in meinem Leben bisher für sportliche Versuche unternommen habe und wie unsportlich ich wirklich bin. Mal schauen, ob ich alles noch zusammenkriege.


Beginnen wir mit mir als kleinem Kind:


“Das Kind hat einen Haltungsschaden! Ab zum Ballett!”


Ich glaube, das ist meine allererste Sporterfahrung und ich vermute, dass dieser Haltungsschaden bei der Einschulungsuntersuchung entdeckt wurde.


Ich war immer schon viel zu groß für mein Alter und wusste nie so recht, wohin mit meinen langen Armen und Beinen. Also bekam ich a) orthopädisch Turnen verschrieben (was später Krankengymnastik hieß und heute Physiotherapie). Ich weiß noch, dass ich dabei auf den Außenkanten meiner Füße laufen sollte. Auf den Hacken auch. Und ich musste über Murmeln gehen. Murmeln! Aua.


Das war noch nicht so richtig Sport, aber es hing ja noch die Ballett-Empfehlung in der Luft. Und weil meine Eltern immer brav taten, was die Obrigkeit befahl (außer mich die Erste Klasse überspringen zu lassen, leider), wurde ich flugs zum Ballettunterricht angemeldet.


Der Unterricht fand in einem Schwimmbad statt. Also im oberen Stockwerk des Paracelsus-Bades (fragt nicht, wie lange es dauerte, bis ich nicht mehr “Paracelsius” sagte).


Stellt euch einen relativ großen Raum vor (keine Ahnung, wie groß der wirklich war, ich war ja erst knapp 6), bei dem die gesamte Front aus bodentiefen Fenstern bestand. Südseite. Im Hochsommer.

Fertig vorgestellt?


Klimaanlage gab es 1970 in good old Germany noch nicht. Es war also schweineheiß. Und ich bekam eine erste Ahnung davon, dass Sport einfach nur saumäßig anstrengend* war.


*Ich musste est zehnmal so alt werden, bis ich auf die Idee kam, dass dieses Gefühl, dass mir alles viel anstrengender vorkommt als anderen Menschen, meinen chronischen Krankheiten geschuldet sein könnte ...


Stellt euch weiterhin lauter Kinder in schwarzer Feinripp-Unterwäsche aka “Turnzeug” vor. Dazu schwarze Schläppchen. Das trug man in den 70ern so im Sportunterricht und in den Jahrzehnten davor vermutlich auch. Stellt euch weiter eine große, dürre Blonde mit zu langen Beinen vor, die nichts gut konnte, außer in “Position 1″ die Füße in einer geraden Linie zu platzieren (Hacke an Hacke, die Fußspitzen nach außen gedreht). Die Füße dermaßen weit zu verdrehen wäre gar nicht nötig gewesen, aber meine Bänder und Gelenke waren so komisch, dass das prima ging. Die 7 Grundstellungen bekam ich also hin, aber der Rest – auweia.


Ich fiel häufig auf den Hintern und sah einigen fortgeschrittenen Jungs staunend dabei zu, wie sie “Mühle” machten. Hände auf dem Boden und mit gestreckten Beinen so drumherum wirbeln. Das habe ich später erst wieder bei Olympischen Spielen bei Sportlern auf dem Seitpferd gesehen und beim Bodenturnen. Die fortgeschrittenen Mädchen konnten Spagat im Liegen und im Stehen. Und sie trugen Spitzenschuhe!


Ich wollte auch Spitzenschuhe! Und ein Tutu! Und aussehen, wie eine Prinzessin!


Keine Spitzenschuhe, kein Tutu


Leider machte die ältliche Ballettlehrerin mir sehr schnell klar, dass Spitzenschuhe nichts für kreplige Anfänger waren. Also stopfte ich zu Hause die Spitze meiner Clogs (liebe Kinder, das waren hinten offene Schuhe mit Holzsohle und Leder obenrum) mit Klopapier aus und versuchte damit “auf Spitze” zu gehen. Sah sicher elefantös aus. Außerdem übte ich wie eine Bekloppte Spagat. Ein Wunder, dass ich mir keine fiese Zerrung zugezogen habe. Aber so sehr ich mich quälte – es blieben immer mindestens noch zehn Zentimeter Luft zum Boden.


Überhaupt waren die ganzen Übungen furchtbar anstrengend. Ich weiß wirklich nicht, ob ich sagte, ich wolle nicht mehr hin, ob meine Mutter mal zugeschaut hatte und Erbarmen mit mir hatte oder ob die ältliche Ballettlehrerin um Entfernung dieses untalentierten Subjekts aus ihrem Unterricht bat – auf jeden Fall kann der Spuk kaum länger als ein halbes Jahr gedauert haben. Wenn überhaupt.


Dann folgte Schulsport. Bezeichnend, dass meine einzige Erinnerung daran ist, wie Klassenrabauke Dietmar meiner Klassenlehrerin mit voller Wucht einen Ball auf den Busen schoss, diese daraufhin ausflippte und einen gebrüllten Vortrag darüber hielt, dass man davon Brustkrebs bekommen könnte.

Sie liebte Dietmar trotzdem.

Ganz im Gegensatz zu dem doofen, blonden Einzelkind mit den viel zu langen Armen und Beinen, das immer alles längst wusste und konnte (außer beim Sport) und dem man nichts beibringen konnte. Denn diese Lehrerin hatte fast alle Fächer bei uns und verzweifelte an mir. Sechs lange Grundschuljahre lang (isso in Berlin). Sechs Jahre Hölle für mich. 26 Jahre später habe ich auf dem ersten und einzigen Klassentreffen mit ihr abgerechnet.


Keine Michaeline Phelps


Aber es geht ja um Sport und da war der nächste Versuch Schwimmen. Vermutlich auch des Haltungsschadens wegen.


Ich wurde im Polizeisportverein (WTF?!) angemeldet und lernte überhaupt erstmal schwimmen. Mit so nem Styroporbrett. Schon damals habe ich mir den idiotischen Schwimmstil angewöhnt, den ich heute noch habe: Ich benutze nur das linke Bein und ziehe das rechte ein bisschen halbherzig hinterher. Nojo.


Übelste Erinnerung: Beim Herumrennen um das Nichtschwimmerbecken (wer rennt denn auch, wenn es nass ist?) rutschte ich genau an der Beckenecke aus, fiel mit einem Bein ins Wasser und der empfindsame Teil zwischen den Beinen krachte auf den Beckenrand. Unvergessen.


Noch ne Erinnerung: Irgendwann konnte ich schwimmen und ging brav zum Training. Es war Winter und trotz hingebungsvoller Föhnerei wurde ich krank. Dadurch musste ich den ersten und einzigen Wettkampf für den ich je aufgestellt wurde, von der Zuschauertribüne aus betrachten. Im wollweißen Rollkragenpullover.


Hohe Luffeuchtigkeit und Rolli ist eine tolle Kombination. Aber ich überlebte und stellte mir vor, dass ich alle in meiner Gruppe geschlagen hätte, obwohl ich wusste, dass ich furchtbar versagt hätte und eigentlich froh sein sollte, da unten nicht mitzuplantschen. Worin ich aber echt gut war, war Tieftauchen. Ich habe die Ringe aus JEDER Tiefe hochgeholt, auch wenn es in den Ohren piekte.


Ich vermute mal, dass mich meine Eltern wegen der andauernden Erkältungsgefahr vom Schwimmen wieder abmeldeten. Aber Chlorwasser liebe ich noch heute.


Das war schon ganz schön lang, also freut euch auf Sportliches Scheitern II. Darin kommt ein Ball vor, versprochen.


In welchem Sport seid ihr schon gescheitert? Verratet es mir gern in den Kommentaren.


 

Dieser Beitrag erschien zuerst am 10. Dezember 2015 in meinem unsportlich-Blog, das bei Wordpress gehostet wurde, und nicht mehr existiert.

 


Liebe Grüße


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